Umgang mit Kindern und Familien
Hilfebedürftige Kinder senden innerhalb ihrer Familien oder auch in ihrem weiteren Umfeld Signale, sie werden als Hilferufe von ihren Bezugspersonen noch immer zu selten erkannt. Was allgemein auffällt, sind in aller Regel zunehmende Verhaltensauffälligkeiten dieser Kinder, die sich sowohl in den Familien, in den Kitas oder in Schulen offenkundig werden können. Weitere Informationen dazu unten.
Erst wenn die für das Kind zuständigen Erwachsenen bemerken, dass alle ihnen zur Verfügung stehenden Formen des Umgangs mit den vorliegenden Verhaltensproblemen keine Veränderung bringen, wenden sie sich an die zuständigen Fachkräfte. Dabei werden die von den Bezugspersonen, Eltern, Lehrer oder Erzieher vorgetragenen Probleme mit dem Kind häufig vor dem eigenen Erfahrungshintergrund interpretiert, was den tatsächlichen Problemlagen des Kindes nicht immer entspricht. Besonders schwierig wird es für die Fachkräfte, wenn das Kind sein Problem nicht selbst offen und klar benennen kann. Kinder brauchen ihre Eltern, sie wollen sie in der Regel nicht belasten, zumindest so lange nicht, wie sie glauben, das Problem selbst bewältigen zu können.
Wenn Kinder die Belastungen nicht mehr aushalten, suchen sie in ihrem Umfeld nach Vertrauenspersonen, von denen sie glauben, dass sie Gehör bekommen und diese stark genug sind, die vom Kind vorgetragenen Probleme auszuhalten und ihnen mögliche Hilfe zu geben. Kinder, die keinen Ausweg aus ihrem Dilemma finden, entwickeln die unterschiedlichsten Verhaltensauffälligkeiten, auch in der Hoffnung, darüber die notwendige Aufmerksamkeit zu bekommen. Nicht selten nehmen sie selbst negative Reaktionen ihres Umfeldes in Kauf für das Gefühl, ich werde gesehen und wahrgenommen.
Wenn uns als Fachkraft ein Kind mit Verhaltensauffälligkeiten vorgestellt wird oder wir dieses selbst wahrnehmen, suchen wir nach Erklärungen oder Orientierungen, von denen wir hoffen, bessere und sicherere Anhaltspunkte für das zu betreuende und zu begleitende Kind und seine Familie zu erhalten. Merkmalslisten, die es uns ermöglichen seine/ihre Handlungsweisen sicher interpretieren zu können, gibt es jedoch bisher nicht. Merkmalslisten können immer nur als eine erste Orientierungshilfe für die Fachkräfte gewertet werden, die notwendigen Erklärungen für die Probleme sind jedoch nur in den Familien selbst zu finden. Jedes Kind und jede Familie hat sein/ihr eigenes System, das es zu erkennen gilt und für das/die es ein jeweils eigenes Hilfekonzept zur Veränderung geben muss.
Standardisierte Beschreibungen von Symptomen, Verhaltensauffälligkeiten oder differenzierte Risikoeinschätzungen reichen also nach unserer Erfahrung auf keinen Fall aus, um z. B. ein Risiko der Kindeswohlgefährdung einzuschätzen zu können. Insbesondere bei möglichen schwerwiegenden Kinderschutzfällen gibt es keine einfachen Antworten. Hilfreich ist hier eher, wenn wir als Fachkräfte beginnen, uns auf einen komplexen Hilfeprozess einzulassen, mit kleineren und größeren Aufgabenstellungen und Schritte, an deren Bewältigung alle Anteil haben sollten. Wenn wir uns hier als Vorbilder für die Familie, die Eltern und die Kinder verstehen, sind diese Familie wesentlich eher bereit, die gemeinsam entwickelten Hilfekonzepte und Vorgehensweisen für sich zu erproben und zu übernehmen.
Zu beachten ist allerdings auch, dass die von den Erwachsenen vorgetragenen Probleme in jedem Fall mit den Klienten selbst überprüft werden, damit effektiver Kinderschutz möglich wird. Eltern interpretieren die Probleme immer nach eigenem Erfahrungsmuster und vergessen sehr häufig dieses mit dem Kind zu überprüfen. Das Kind selbst findet immer noch zu selten Gehör bzw. keine ausreichende Wahrnehmung in seinem Selbstausdruck. Von daher besteht im Umgang mit Kinderschutzproblemen immer die Gefahr von Fehlinterpretationen, die nicht nur das Kind erneut schädigen können sondern auch den Erfolg der Hilfe in Frage stellen.
Da ein objektivierbares diagnostisches Verfahren zur Aufdeckung und Dokumentation insbesondere bei sexueller Gewalt an Kindern nicht verfügbar ist – und es auch nicht möglich sein wird, dieses für den Einzelfall ausreichend zu entwickeln – sind wir als Fachkräfte darauf angewiesen, zunächst die beobachteten Verhaltensprobleme und Konflikte als erstes Kriterium für eine Hilfegestaltung anzunehmen. Die Frage, welche Hintergründe die Verhaltensprobleme verursacht haben, kann oft erst im Rahmen eines Hilfeprozesses und einer Arbeitsbeziehung zur Familie geklärt werden.
Wir haben als Fachberatungsstelle gelernt, nicht nur auf die mündlich vorgetragenen Probleme bei Kindern zu achten, sondern auch auf die an uns als Helfer gerichteten Signale im Beziehungsgeschehen. Das bedeutet, auch wenn wir als Fachkräfte die Ursachen für die Probleme der Kinder nicht kennen, bekommen wir im gemeinsamen Beziehungsgeschehen Informationen wie die Hilfesuchenden gelernt haben, sich zu Verhalten, wo sie Ängste zeigen und welche Wünsche und Bedürfnisse sie haben. Ein erster Schritt zwischen Berater, Kind und Familie ist immer die notwendige Beachtung ihrer sozialen Bedürfnisse, die Anerkennung ihrer jeweils eigenen Problemsichten und die gemeinsame Reflexion der aktuellen Situation. Die von uns im weiteren angefügten Merkmale für Familien, Täter und Opfer sind in diesem Sinne als Unterstützung für mögliche eigene Fragestellungen zur Problemklärung im Umgang mit den Kindern und Familien gedacht.